Pressestimmen

Zur CD "Goldfisch"


. . . Eddy Winkelmann, Barde aus Hamburg-Wilhelmsburg, haltbare Ikone der sonst immer rarer bestückten Hamburger Liedermacherszene, fast so beständig wie der Michel. Und ein einzelner ist er auch, der Individualist, ein Außenseiter gleich im ersten Song seiner neuen CD "Goldfisch", wie er dort "unten am Strand" entlang schlendert, nur fort von der Stadt, "bloß weg von hier". Und dahin schlendernd, wie im raunenden Erzählerton mit angerautem Chanson-Tenor voll kostbarer Nasale, blättert er singend seine Geschichten auf, mal witzig, mal ernst, von der reichen Dame, dem "Goldfisch", die sich ihr armer Freier schön lügt, um an ihre zehn Millionen zu kommen, vom erbarmenswerten Matrosen "Jonny Möwenschiss" und seinen Träumen einer Südseemonarchie, von den gestressten Super-Managern mit ihrer schlimmen Sorge . . . (Paul Barz/WELT am Sonntag)

 

Zur CD "Gezeiten"


. . . ein echter Eddy Winkelmann und ein etwas anderer auch, herber, dunkler, weniger verspielt. Noch immer kann der Kult-Barde aus Hamburg-Wilhelmsburg über vieles lächeln, aber dieses Lächeln gerät etwas schief, wenn sich etwa der Ozean "einen Teufel um unsere guten Wünsche" schert und Hamburg zum Atlantis . . . Dreizehn Lieder sind es und eigentlich dreizehn Geschichten. Der Sänger mit seinem samtig angerauten Bariton wird dabei zum Erzähler und die Zeit mit der CD zur Dämmerstunde in irgendeiner miefig heimeligen Hafenkneipe, wo man dem Typen dort zuhört . . . wie er über "seinen" Fluss spricht, zu dem es ihn immer wieder hinzieht, und sich über die schwatzselige Ich sucht seiner verhinderten Bettgefährtin beklagt ("Ich wollte ihr Liebhaber sein, sie aber nur über ihre Mutter sprechen") oder sich, sehr komisch, über das Schickimicki- Showbiz-Getue selbsternannter B-Prominenz mokiert . . . Am Ende dann, sehr rührend, der Appell an den kleinen Sohn und all die anderen, die mal nach uns kommen: Bewahr dein warmes Herz. - Bewahr uns deine Lieder, Eddy! Diese hier und viele noch, ähnlich schön zwischen Dur und Moll, süffig und spröde, ernst und komisch. Wir möchten mehr davon hören. (Paul Barz/WELT)

 

Stichwort: Klimawandel. Mit "Wenn Hamburg zu Atlantis wird" ist dem norddeutschen Liedermacher und Sänger ein wirklich hervorragendes Stück gelungen, das ohne Schmus und erhobenen Zeigefinger auskommt und das brisante Thema auf den Punkt bringt. Hamburg steht hier für jede Stadt an jeder Küste. Zu hören auf dem neuen Album "Gezeiten". (Susanne Hasenjäger/NDR)

 

. . . bindet einen bunten Strauß aus allem, was Fans an Winkelmann lieben: Humor, Bodenhaftung, Hintersinn und Vielseitigkeit. Da groovt, bluest und schruggelt es, finden balladeske Töne zu Jazz-Rhythmen, als hätten die beiden schon seit Jahren ein Verhältnis. Und seine Texte holt der Wortakrobat genau daher, wo er bei Publikum und Kollegen längst fest vor Anker liegt: aus tiefstem Herzen. Winkelmann sinniert über "Alte Fehler" und die Schwierigkeit, sie loszuwerden, ist manchmal "Müde von all den Worten" oder vom täglichen VIP-Striptease in der TV-Küchen-Show ("Der Reis ist heiß") oder er rät - und das sicher nicht nur dem kleinen Racker zu Hause - dazu, sein "warmes Herz" zu bewahren. Wie schön, ja wohltuend, dass es solche ehrlichen Häute noch gibt. (Rüdiger Otto von Brocken/Husumer Nachrichten).

 

. . . ein wunderschönes Album des Liedermachers . . . Man hört ihm gerne zu, wenn er seine einfühlsamen Geschichten singt. Und mit "Wenn Hamburg zu Atlantis wird" ist auf dem Album ein Stück mit echtem Hitpotenzial dabei - auch wenn Winkelmann natürlich hofft, dass das, was er hier besingt, nie zum Ernstfall wird. (Peter Noßek/HAN)

 

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Live auf der Bühne



". . . zwischen Ringelstern und Morgennatz . . . Eddy Winkelmann tanzt auf dem literarischen Hochseil . . ." (Husumer Nachrichten)


". . . eine Mischung aus Wort und Musik, Szenen und Geschichten, Balladen und vermeindlich Leichtem . . . Geschichten mit Groove . . ." (SFB)


"Alltagsgeschichten und sonderbare Wortspielereien mischen sich in seinem Programm mit treffenden Liedern, mal mit Band, mal solo nur mit Gitarre. Dabei bleiben kritische Töne ohne erhobenen Zeigefinger, die Komik ohne Klamauk." (Die Zeit)


". . . wie schön, es klingt manchmal wie Ringelnatz, bleibt aber Winkelmann . . ." (Hamburger Abendblatt)


". . . manchmal abschweifend und dann doch haarscharf aufs Leben zu . . ." (Hamburger Morgenpost)


". . . kein Chansonnier, kein lupenreiner Kabarettist, kein purer Popbarde oder Liedermacher. Dort, wo die Grenzen von Schlager, Couplet und Balladen ein Vakuum schaffen finden wir Eddy Winkelmann. Eine glückliche Mischung . . . " (NDR)

 

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Portrait: "Nu’ reiß dich aber auch zusammen!"



Zwischen Sicherheit und Sehnsucht: Ein Gespräch mit Eddy Winkelmann über die glückliche Kindheit im Fischladen, (k)ein Leben in vorgezeichneten Bahnen und den sanften Ausbruch.


Von Sigrun Clausen

 

Ja, norddeutsch ist er. Diese eher langsame Art des Ankommens, dabei ein freundliches Lächeln um den Mund, doch weiter oben, in den Augen, das Abwartende: "Na, wat dat wohl gifft?" Er bleibt vor dem Tisch erst mal stehen, guckt sich seine Gesprächspartner an und zieht erst dann den bereitstehenden Stuhl heran. Ganz sutje geht’s weiter: Tabak herausholen, Papierchen, zwischendurch die Lage sondieren, die Stirn ist ein bisschen gerunzelt. „Wer ist jetzt hier wer?“, fragt er nach. Er schenkt sich ein bisschen Rotwein ein. Und dann, plötzlich, lacht er, die Szenerie am Holztisch vor dem Bürgerhaus in Wilhelmsburg gefällt ihm: „Ist ja nett!“, sagt er, und aus seinen Augen ist der skeptische Ausdruck verschwunden. Später im Gespräch wird er sagen: „Ich war als Kind bei tausend Leuten. Nie gekannt. Aber nie fremd gefühlt.“


Eddy Winkelmann, geboren 1957, ist heute Musiker. Seine Lieder handeln vom Hafen, der Elbe und den Menschen, die an diesen Orten ihrer Arbeit und ihrem Leben nachgehen. Ein Fischgeschäft im Wilhelmsburger Bahnhofsviertel ist der Ausgangspunkt dieser Geschichte. Den Laden führten seine Großeltern. Der Enkel ist dort praktisch aufgewachsen. Er ist „der Lütte“ oder aber „Sprotte“, später, je nach Altersstufe, auch „Scholle“, „Dorsch“, „Rotbarsch“. „Ich bin mit diesen Fisch-Metaphern groß geworden“, sagt er. Die maritimen Sprachbilder pickt er im Fischladen auf, und in den Ferien verfolgt er sie an ihren Ursprungsort zurück, wenn er mit dem Opa morgens um sechs im dreirädrigen „TEMPO“in den Freihafen fährt, „Fisch einkaufen, frühstücken, Blockeis holen.“ Er kommt mit den Seeleuten in Kontakt. Ein rauhes Umfeld war das damals, Hafen und Fischmarkt, doch Eddy geschieht nie etwas: er ist ja „der Lütte von Mewes“: „Da waren die ganzen Fischer. Opa sagte: ‚Na, wie is, hier, den Lütten, twee Stunden ...?’ und gab mich auf irgendeinem Schiff ab. Da bin ich dann geblieben, und wenn ich Glück hatte, machte der die Leinen los und fuhr mit mir einmal nach Finkenwerder und zurück. Das war für mich das Größte.“


„Ich war gern Kind“, sagt Winkelmann. Die Selbstgedrehte ist ausgegangen, er hat sie zwischen seinen Fingern vergessen beim Erzählen. In seinem ruhigen Erzählfluss, mit Wortwitz und Detailtreue, hat er eine Wilhelmsburger Kindheit entstehen lassen, die dem Zuhörer fast schon unangenehm idyllisch erscheint. Kann das wirklich so gewesen sein? Und wurzelt hier die positive Ausstrahlung, die so charakteristisch für ihn zu sein scheint? Die ihn sagen lässt: „Ich bin nie ganz tief gefallen, auch nicht in schlimmen Zeiten.“ ?


Musikmachen wollte er schon immer. Mit 16 beginnt er, Gitarre zu spielen. „Ich bin zu dem Gitarrenlehrer hin und hab gesagt: ‚Hier: ‚Love me do’, wie gehn die Akkorde?’“ Doch der Gitarrenlehrer will nur Tonleitern spielen. Da wird Eddy lange Jahre Autodidakt: „Man nagelt jede Single tausend Mal über den Plattenspieler und findet die Akkorde selbst raus.“ Anfang der Siebziger ist das. Doch Winkelmann wird erst mal kein Musiker, noch lange nicht. Denn die Maxime der häuslichen Erziehung lautete: Sicherheit zuerst. Eddy hält sich an diese Grundregel, er ist kein Rebell: „Ich habe nie den Kampf gesucht“, erzählt er an anderer Stelle, als es um das schwierige Bestehen im Showgeschäft geht, „aber wenn es gefordert ist, nehm ich ihn an .“


Er macht eine Lehre als Büromaschinen- und Feinmechaniker und landet irgendwann bei einer großen Kopiergeräte-Firma. Sie schulen ihn zum Kundendiensttechniker. Mit 24 Jahren findet er sich in gehobener Position als Vorgesetzter einer Handvoll wesentlich älterer Mitarbeiter wieder. „Ich war auf dem vorgezeichneten Lebensweg. Aber die Position überforderte mich. Und die Trennung zwischen Beruf und Gitarre war einfach zu herb.“ Eddy ist hilflos.


Doch da ist ein Mensch, der ihm zum rechten Zeitpunkt ein bisschen unter die Arme greift. Der ältere Mitarbeiter einer Reederei, ein Firmenkunde, begreift die Nöte des jungen Mannes. Sein Lösungsvorschlag ist klar: Eddy muss zur See fahren. Der Ältere lässt seine Beziehungen spielen und verschafft Eddy einen Arbeitsplatz auf See. Sogar aus dem Vertrag mit der Kopierer-Firma haut er ihn raus. Keine zwei Wochen später steht Winkelmann im Freihafen von Antwerpen unter dem Spott der Matrosen vor der Bordwand der Cap San Diego und staunt: „Das Schiff war schneeweiß, gebohnert, frisch aufgemotzt – ein Hit!“


Winkelmann liebt diese Geschichte, das ist offensichtlich. Bei seiner Erzählung ist er vollkommen entspannt, er hat sich zurückgelehnt und lässt mit flotten Worten Häfen und Menschen Südamerikas, Kaffeegerüche und Dialoge entstehen. Ein Erzählprofi ist er, einer, der das Vokabular der Seefahrt geschickt und bewusst einsetzt und es doch versteht, seiner Geschichte das Eigene zu erhalten.


Wieder kommen Arbeitsjahre. Die Musik läuft immer nebenher, „als Seelenpool“, wie Winkelmann es nennt. Der große Ausbruch folgt dem kleinen noch längst nicht. Eddy sattelt noch einmal um, wird Sozialarbeiter in Altona, dann schließlich Grafiker in der Druckerei seines Onkels in Wilhelmsburg. Immer öfter kommt er nun morgens zu spät und verkatert zur Arbeit, weil er in der Nacht aufgetreten ist. Der Onkel drückt ein Auge zu, weiß, dass eine Entscheidung ansteht. Und dann, endlich, fällt sie. Winkelmann: „Ich hatte das Gefühl: Wenn du jetzt nichts riskierst, heulst du dein Leben lang da hinterher.Ich wäre auch mit einem Scheitern einverstanden aber ich musste es probieren Den Gedanken bekam ich nicht mehr aus meinem Kopf raus.“ Und schließlich: Hatte nicht auch der Vater ihm immer eingeprägt: „beharrlich sein“? Also keine Spaltung mehr zwischen Arbeit und Kunst. Winkelmann: „Die Aussicht, abends zu spielen und den ganzen Tag Zeit zu haben und kreativ zu sein, war unglaublich verlockend.“


Das ist 1988. Und wieder ist jemand zum rechten Zeitpunkt da: Corny Littmann vom Schmidt’s Theater auf St. Pauli. Der will ihn, dort kann er spielen. Ein Anfang ist gemacht.


Die ersten drei Jahre werden hart. Die langgehegte Sicherheit ist erst mal weg. Aber Winkelmann macht beharrlich seinen Stremel. Er wird kein anderer, bloß weil er jetzt Musiker ist. Nicht nur mit Fleiß bastelt er an der neuen Existenz – auch mit Leidenschaft: „Klar verdiene ich damit mein Geld. Aber in erster Linie habe ich Lust zu spielen, um meinetwillen.“ Und es klappt: Heute kann er von der Kunst leben und, gemeinsam mit seiner Frau, das Söhnchen ernähren.


Fragen nach seinem künstlerischen Innenleben erwartet Eddy Winkelmann mit vorsichtiger Neugier. Die Denkpausen – mit vorgebeugtem Oberkörper und zusammengekniffenen Augen - sind manchmal lang. Angst, dass ihm jemand zu nahe treten könnte? Er selbst sagt über sich: „Oh ja, in echt ist er ein Sensibler.“ Das mag stimmen – doch er hat auch gelernt, mit Selbstbildern und Fremdbildern zu jonglieren. Die Erfahrungen mit Entscheidungsträgern, vor allem vom Fernsehen, haben ihn anfangs umgehauen: „Du merkst auf einmal, dass es deine Art ist, die ankommt. Und da wird’s gefährlich. Leute reden plötzlich von deiner „Masche“ und nutzen dein Wesen aus.“


Seine Natürlichkeit und Freundlichkeit als Masche? Nein, das will er nicht haben. Aber natürlich ist ihm mittlerweile bewusst, dass er diese Ausstrahlung hat. Und die weiß er auf angenehme Art zu kultivieren. Auch auf der Bühne. Von selbst geht das allerdings nicht – für ihn ist sie ein Handwerk, diese Bühnenpräsenz: „Mein Gefühl, wenn ich auf die Bühne gehe, ist: Du hast etwas erarbeitet, und jetzt trägst du es vor. Und nu’ reiß dich auch zusammen!“ Den Auftritt bezeichnet er als Prozess, und wenn der gut abläuft, entdeckt Winkelmann darin auch Maßstäbe für die Qualität des eigenen Schaffens: „Wenn ich ein Lied singe und dabei auf der Kippe stehe, den Faden zu verlieren, weil ich da so eingetaucht bin – dann ist es ein gutes Lied.“


Jemand hat mal über Eddy Winkelmann geschrieben, er sei jetzt in der Familie angekommen. Das Reetdachhaus hinterm Wilhelmsburger Deich, die Sauna, an der er zimmert, und „der Knüller“ seines Lebens: der Sohn, mögen dafür sprechen. Doch an diesem Sommerabend, am Tisch vor dem Bürgerhaus, entsteht vor allem der Eindruck: Er ist bei sich selbst angekommen. „ Das ist doch ein tolles Leben : suchen, finden, lernen und dann wieder von vorn...“ Er bleibt als guter Navigator immer schön auf Kurs: „Im Nullkommanix können dir die Beine weggezogen werden, daher hab ich eher das Gefühl: Lass es jetzt alles wie es ist, genieß es – und sei gut in der Sache, die du machst.“

 

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