Biografie

Die frühen Jahre


Eddy Winkelmann: Geboren in Hamburg, genauer in Wilhelmsburg, ´57er Jahrgang, zwei Schulen durchgehalten, eine nicht. In Wilhelmsburg schaute man eher auf Studenten herab, eine Lehre war da schon solider. Man schob mich mit sanfter Gewalt in den Produktionsprozess. Aus heutiger Sicht war's genau das Richtige.


Büromaschinentechniker bei Klemm & Leddin in der Gerhofstrasse am Gänsemarkt. Das war urbanes Leben pur und, ich danke allen, die mir Ihr Wissen und ihre Wärme vorbehaltlos angedeihen ließen. Was hätte ich auf der Uni schon groß gelernt? Querulantentum und Unruhestifterei, meinten zum Beispiel Oma und Opa Mewes, die am Bahnhofviertel ein gut gehendes Fischgeschäft betrieben.


Als ich geboren wurde, gab meine Mutter den Friseur-Job auf und half - immer wenn ich es zuließ - im Laden. Papa war bei der Bahn, hatte Schichten zu schieben und das Bahnhofsviertel war eh mein Lieblingsrevier. Bin also zwischen Krabben, Rotbarsch und goldgelben Bückeln aufgewachsen. Übrigens ist das auch die Reihenfolge meiner Spitznamen, die meine Freunde und Feinde aus der Zeit für mich bereit hielten.


Nach der Lehre - Handwerk hat goldenen Boden - durfte ich dann machen, was ich für richtig hielt. Wer aber an selbstverdientes Geld gewöhnt ist, wechselt nicht so einfach wieder in die Schule oder

an die Uni. Ein paar Jahre sollte der Rubel erstmal rollen, schließlich mussten Motorrad und Auto angeschafft werden. Erst als sich der berühmte zweite Bildungsweg anbot, holte ich all den Krempel nach. Aus heutiger Sicht eine wunderbare Zeit, um mich der Musik zu widmen . . .


Eine reiche Freundin war damals nicht in Sicht und die Uni-Schnecken hatten nicht mal die Kohle fürs Benzin. Die Väter der Töchter wollten auch immer zuerst wissen, was ich denn studiere . . . Irgendwann hatten dann Annabell, Marianne und Maike plötzlich etwas besseres vor, als aufm Sozius in Klammeraffenhaltung an die Nordsee zu brettern, 'ne Cola zu trinken und dann nochmal rüber an die Ostsee . . .


Und hier kommt zum ersten Mal die Gitarre ins Spiel. Sie verstand mich. Das was ich reingab, kam eins zu eins wieder heraus - Liebeskummer, Weltschmerz, norddeutsche Melancholie . . . Noch Fragen, wieso ich zum Blues kam? Außerdem war e-Moll natürlich der erste Akkord, den ich lernte.

Von dort dann zum Country war kein Problem, ich hatte schließlich auch meine witzigen Seiten: Will sagen, es kamen Dur-Akkorde hinzu.


Mama spielte hin und wieder Schifferklavier und Papa machte zu Weihnachten und Geburtstagen die Auflage, selbst etwas zu schreiben oder zu dichten. Wer mit Morgenstern, Roth, Busch und Storm aufwächst, atmet schon mal ein gewisses Versmaß und Gefühl mit ein. Handwerk hat goldenen Boden, sagte ich das schon?


Seitdem bin ich auf der Jagd nach dem perfekten Lied, in dem Text, Musik, Ausdruck und Stimme eine Einheit bilden. Und das natürlich in meiner Sprache, also in Deutsch. Was Hannes Wader, Achim Reichel, Hüsch, Lindenberg, Mey, die Puhdys und wie sie alle heißen mutig und mühsam aufgebaut hatten, konnte auch Juliane Werding mit ihrem Conny Kramer nicht mehr umschmeißen. Es war bewiesen: Man konnte in Deutsch singen und schreiben und gleichzeitig ein freies Gefühl atmen. Und ebenso herzhaft und gut Gitarre spielen wie die englischen oder amerikanischen Vorbilder.


Außerdem: Musiker und Liedermacher waren niemals ein Berufsziel. Für mich ist das eine Lebensauffassung und ein unglaubliches Glück, hier gelandet zu sein. Aber keine Sorge, ich vergehe nicht vor Glück. Wenn man damit sein Geld verdient, kommt ganz schnell die Komponente hinzu, vor der ich im „bürgerlichen Leben“ die Kurve gemacht habe. Verhandlungsgeschick und Geschäftsgebaren. Hör ich da das Wort Manager? Werde ich meine gewonnene Freiheit wieder dem Diktat eines

Das alte Schmidt Theater

fettleibigen, alkoholsüchtigen Zwerg Nase opfern und hab dafür auch nicht mehr in der Tasche als vorher? Nein. Selbstständig heißt nunmal selbst und ständig.


Wenn ich in unseren Landen auch nicht gerade über die Baumwollfelder singen kann, Geschichten und Gefühle gibt' auch hier genug. Obwohl ich weiß bin und eigentlich ja gar keinen Blues und Bluesverwandtes singen dürfte . . .


Jetzt bin ich aber zu sehr ins Plaudern geratgen und nehme ganz schnell mal wieder den Faden auf: Nach der Lehre gearbeitet als Offset-Techniker, Grafiker, Texter, Ausbildung zum Erzieher, Sozialarbeiter. Messbüttel zur See auf Cap-San- Schiffen nach Südamerika, Fachhochschule für Sozialpädagogik und Logopädie, Straßentheater, Gitarrenworkshops, Skripte für Kindersendungen, Zeichentricksynchron. 1992 offizieller Berufswechsel zur Bühne mit Aufnahme in die Künstlersozialkasse und einem festen Engagement von acht (!) Wochen im Schmidt Theater Hamburg. War ein gutes Schaufenster, und ich kam von da aus 'ne Menge herum.


Habe inzwischen fünf Alben veröffentlicht, Programme geschrieben und wunderschöne Konzerte gehabt, an phantastischen Orten gespielt, aber auch die nassen Keller verflucht. Lerne wunderbare Menschen kennen und darf für sie schreiben, mit ihnen arbeiten und halte mich, soweit ich kann, von den Idioten dieser Welt fern. Und manchmal geht's mir sogar so gut, das ich den Blues nicht singen kann, ohne zu grinsen - innerlich natürlich.


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Demnächst: Die Bühnenjahre (Biografie, Teil 2)